USA 2008 – von James Mean

2008 war die wildeste Sturm&Drang-Phase etwas abgeebbt, Swen und ich hatten beide feste Beziehungen, wir lebten beide in Dortmund und nach dem Aus unseres Proberaums in Bochum Dahlhausen und einem Intermezzo bei Consol 4 in Gelsenkirchen Bismarck hatten wir mit dem Stennert in Herne einen coolen Proberaum mit einer netten Musiker-Community gefunden. Auch in der Band hatte sich einiges verändert – bis 2011 spielten nun die Brüder Efthimiades bei den größeren Auftritten mit, Swen spielte Bass. Diverse kleinere Auftritte spielten wir weiterhin als Duo mit zwei Akustikgitarren.

Außerdem erschien unser Album „Fuck Your Neighbour!“, von dem unser Song NAKED als Titeltrack für die Movie-Night-of-Extremesports (MXS) ausgewählt worden war, was auch den Beginn einer Freundschaft mit der leider viel zu früh verstorbenen Katja Delago und den Gebrüdern Mehner (schöne Grüße und nochmal Danke!) bedeutete. Dadurch war unser Song im TV-Spot zum Film zu hören und dieser war extrem oft zu sehen, z.B. auf Pro7, u.a. immer wenn die Simpsons liefen (meine absolute Lieblingsserie), was mich extrem gefreut hat. Unsere Reichweite wuchs, erste Radiosender spielten unsere Songs in unregelmäßigen Abständen – kurzum: Es lief!


Um den Medien vor Ort noch mehr Futter zu geben, aber auch um einen Eindruck vom sagenumwobenen US-Markt zu bekommen (damals für mich unvorstellbar: Robbie Williams hatte es dort nicht geschafft und meine Freunde aus den USA kannten ihn auch nicht), beschlossen wir, einige Gigs in Los Angeles und Umgebung sowie in Las Vegas zu spielen. Dabei konnten wir auf die massive Unterstützung unseres neuen Kumpels Joe zählen, der mittlerweile einer meiner besten Freunde geworden ist. Joe kam praktischerweise aus LA und befand sich damals mit Mitte 40 bereits im selbstgewählten Vorruhestand. Da er früher beruflich viel mit Film und Musik zu tun gehabt hatte und eng mit den Jungs von Gammalux befreundet war, begleitete er uns damals auf einem Teil unserer Asientour, wo er auch bei uns jeden Abend den Sound mischte. Wie auch immer – jedenfalls konnten wir nicht nur zu viert bei Joe wohnen (Swen und Spiros schliefen auf der Couch, Christos auf einer Matratze im Büro und ich zeltete im Garten – also richtig in Rock Star Manier), er hatte uns auch zwei Autos besorgt, fuhr uns zu allen Auftritten, machte den Sound und tat vieles mehr für uns. Solche Freunde muss man haben! Was wir aber in Deutschland oft gefragt wurden: „Krass, wie kommt man an Gigs in Los Angeles?“ Einfache Antwort – genau wie in Wanne-Eickel: E-Mail mit Bandinfo und möglichem Auftrittszeitraum an Veranstalter schreiben. Wobei ich sagen muss, dass es damals aus meiner Sicht tatsächlich noch etwas einfacher war als heute und es auch Plattformen wie GIGMIT oder „pay to play“ (außer in Köln und im Whisky a GoGo) kaum gab.


Jedenfalls hatte ich eine Handvoll Shows gebucht und los ging’s. Es war mein erstes Mal in den Staaten und ich war total geflasht: Es war alles wie im Fernsehen, wie Baywatch und 90210 und unzählige Hollywood-Blockbuster zusammen, nur eben in 3D. Und was über den Bildschirm (noch) nicht geht, ist über Gerüche wahrzunehmen. Und irgendwie haben verschiedene Orte auf der Welt verschiedene Gerüche, ohne das bewerten zu wollen. Aber als ich das erste Mal den Pacific Coast Highway (PCH) entlang fuhr und den Strand und das Meer roch, dachte ich: Hier könnte ich gut leben! Tatsächlich habe ich von da an bis Corona eigentlich jedes Jahr Zeit dort verbracht, von ein paar Wochen bis zu mehreren Monaten am Stück, so dass LA, oder besser „OC, California“, für mich wie eine zweite Heimat geworden ist und ich auch heute noch viele Freunde dort habe. Aber damals war alles neu und eben wie im Film; die ganzen Eindrücke, dazu die Shows, ein wohlwollendes Publikum, ein bisschen Gage – kurzum: es lief!


Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der Auftritt in Las Vegas: Wir spielten im berüchtigten Double-Down-Saloon, einer größeren Punkrock-Kneipe abseits des berühmten Strips und einer der wenigen „ehrlichen Orte“ mit „ehrlichen Gerüchen“ in einer sonst oft oberflächlichen und durchkommerzialisierten Glitzerwelt. (Ich war vor ein paar Jahren nochmal dort – immer noch klasse). Jedenfalls spielten verschiedene Bands an diesem Abend, wir waren als Headliner oder vielleicht Co-Headliner (Special Guest all the way from Germany!) eingeplant, der Laden war rappelvoll. Alles war angerichtet für einen tollen Abend. Doch dann machte uns das Gesetz einen Strich durch die Rechnung. Zuerst in Person eines Securities (man könnte auch Parkplatzwächter sagen), weil wir uns ein paar Straßen weiter auf einem Parkplatz ein paar Bierchen zischten. In Uniform und mit Dienstmarke gab er uns unmissverständlich zu verstehen, dass Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit in den USA verboten sei. Wir waren erstaunt, und der Leadsänger (also ich) antwortete halb-frech: In Las Vegas darf man doch auch „in public“ trinken! Nein, nur auf dem Strip, war die Antwort. (Die spinnen die Amis! Tatsächlich gibt es in den USA immer wieder Orte, an denen Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit erlaubt ist, z.B. Beale Street in Memphis, aber das gilt dann wirklich nur für einzelne Straßen). Wir trollten uns, schließlich wollten wir, wenn überhaupt, erst nach unserem Auftritt verhaftet werden. Also zurück zur Venue und der Parkplatz voller Blaulicht: Drogenrazzia; Konzert unterbrochen. Es dauerte ewig, bis die Cops wieder weg waren – der Laden war danach fast leer; wenig überraschend hatten die meisten Gäste keinen Bock mehr und waren abgehauen. I fought the law and the Law won!


Zwei Jahre später spielten Swen und ich wieder eine kleine Tour in Kalifornien (diesmal inklusive San Francisco). Auch an diese Zeit habe ich größtenteils nur gute Erinnerungen, inklusive spektakulärer Ereignisse auf dem Roadtrip, aber das gehört hier nicht her. Was mir aber noch in Erinnerung geblieben ist, ist, dass, obwohl alle sehr nett waren und wir wirklich gut ankamen, wir oft gefragt wurden, warum wir auf Englisch singen – Deutsch sei doch viel cooler. Da war natürlich was dran – unsere Musik in Kalifornien zu spielen war schon wie Eulen nach Athen tragen oder Bier nach Dortmund fahren. Unter anderem deshalb, aber auch, weil wir den Eindruck hatten, dass nicht wenige unserer Supporter in Deutschland uns auch auf Deutsch hören wollten, kam uns die Idee, auch einmal Songs in deutscher Sprache aufzunehmen, bzw. eine EP zu machen, auf der die gleichen Songs in deutscher und englischer Sprache drauf sind. Wir hielten das für eine geniale Idee und gaben uns richtig Mühe, inklusive Wendecover, gestaltet von dem leider auch viel zu früh verstorbenen Thommy Weihrauch. Wir machten, Flyer und Sticker, bemusterten TV/ Radio/Labels usw. Das war doch geiler Scheiß! Kurzum – kaum jemand hat es verstanden und so war die Resonanz auf „Rock Monarchy/Monarchie des Rock“, erschienen 2010, insgesamt eher durchwachsen. Aber, ich greife voraus, denn ein Jahr zuvor gabs ja noch die Veröffentlichung der EP 21 und spätestens jetzt kam man an uns auch in unserer (Wahl-)Heimatstadt Dortmund kaum noch vorbei. Aber dazu ein andermal mehr.